Abschnitt 3: Kambodscha, Phnom Penh

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Auf in die Hauptstadt!


Erste Eindrücke
Eigentlich ist es schade. Siem Reap mit seinen Tempelanlagen von Angkor ist das unbestrittene touristische Zentrum Kambodschas. Die allermeisten Besucher betreten das Land nur wegen der berühmten Tempel, um es dann schnell wieder zu verlassen. Wir haben anderes im Sinn und machen uns nach ein paar Tagen auf in die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh.

Über unser Hotel haben wir uns Busfahrkarten der Firma "Mekong" organisieren lassen und sitzen noch ein wenig benommen von den Eindrücken der Tempelbesichtigungen im durchaus bequemen Linienbus nach Phnom Penh. Für die Tickets haben wir zwei bis drei Dollar mehr auf den Tisch gelegt, als bei den anderen Busfirmen. Dafür ist der Service an Bord ausgesprochen gut, und angehalten wird auch nur einmal (in Kompong Cham, der Hauptstadt der gleichnamigen und bis vor wenigen Jahren noch von den Roten Khmer kontrollierten Provinz). Schon seit Stunden zieht die immergleiche zentralkambodschanische Landschaft an uns vorbei: endlose Ebenen mit Reisfeldern, nur aufgelockert von einzelnen Zuckerpalmen.

Gegen Abend schließlich taucht zur Linken der mächtige Mekong auf und es wachsen die Khmerdörfer zu einer dicht besiedelten Fläche zusammen. Dann geht es über die Chrouy Chang Var - Brücke ins Getümmel der Innenstadt. In einer Seitenstraße des Sisowath Quai, der belebten Uferpromenade der Stadt, hält der Bus. Sofort umringt ihn eine Traube von Tuk-Tuk Fahrern, die noch bevor die Fahrgäste ausgestiegen sind versuchen, Kunden zu gewinnen. Unter ihren geschäftigen Rufen nehmen wir unser Gepäck in Empfang und steigen bei einem Fahrer ein, der uns sympathisch erscheint. Zwar hätten wir die anderthalb Kilometer zum Hotel auch gehen können, doch mittlerweile ist es dunkel geworden, was die Orientierung in einer fremden Stadt nicht leichter macht.


Straßenszene in Phnom Penh
Phnom Penh gehört mit rund 370.000 Einwohnern im Stadtgebiet zu den eher kleinen Hauptstädten der Region. Kein Vergleich also zur Megacity Bangkok oder Saigon, das stets versucht, Thailands Hauptstadt den Rang der Metropole Südostasiens streitig zu machen.

Zu Zeiten des Pol Pot - Regimes war die Stadt Schauplatz einer der größten Evakuierungsaktionen der Geschichte. Gemäß der abstrusen pseudokommunistischen Ideologie des grausamen Terrorregimes sollten Bürger Kambodschas als Bauern auf dem Lande leben und schuften. Am Morgen des 17. April 1975 marschierten die Truppen Pol Pots über die großen Einfallsstraßen in die Stadt ein, alle gekleidet im einfachen Gewand kambodschanischer Bauern. Der Vorwand dafür lautete, die überbevölkerte Stadt solle von den Amerikanern aus Rache über den Sturz des einstmals an die Macht geputschten pro-amerikanischen Lon Nol bombardiert werden. Zunächst empfing die Stadtbevölkerung die einmarschierenden Truppen mit Jubel, merkte dann aber schnell, dass sie für diese nichts als Feinde waren.

Pol Pots Truppen bestanden in der Hauptsache aus fanatisierten Jugendlichen, die blind und ohne jede Skrupel den absurden Anweisungen ihrer verblendeten Führung gehorchten. In Schulungen hatte man sie darauf gedrillt, dass die Städter Feinde seien, weil sie sich nicht am revolutionären Kampf der Bauern und Arbeiter beteiligt hätten. So wurde bereits das leiseste Anzeichen von Widerstand gegen die Evakuierung mit brutalster Gewalt beantwortet. Die Stadtbevölkerung wurde über die großen Straßen hinaus aufs Land getrieben, wo sie auf den "Killing Fields" oft bis zum Tode zwangsarbeiten mussten. Es dauerte gerade einmal zwei Tage, bis eine der prächtigsten und schönsten Städte Südostasiens in eine menschenleere Geisterstadt verwandelt wurde. Anschließend folgten Wellen sinnloser Zerstörung und Plünderungen durch die Roten Khmer.


Straßenszene (Boulevard 19)
Erst nach dem Sturz der Terrorherrschaft Pol Pots im Januar 1979 durch die vietnamesischen Truppen kehrten die Menschen wieder in die zerstörte Hauptstadt zurück. Unter vietnamesischer Führung begannen Wiederaufbau und -besiedelung. Zunächst mussten zurückgekehrten Menschen in Auffanglagern gesammelt werden, um ein Chaos zu vermeiden. Parallel dazu wurde versucht, städtische Infrastrukturen wie etwa Strom- und Wasserversorgung wieder aufzubauen. Hunderttausende kehrten nicht wieder zurück, so dass zumindest an Wohnraum kein Mangel herrschte. Wer eine Wohnung fand, wurde so gleichzeitig ihr Besitzer. Wegen des Mangels an Experten, auch eine Folge der jahrelangen Isolation des Landes, verzögerte sich jedoch der Wiederaufbau.

Zu Zeiten der UNTAC (United Nations Transitional Authority in Cambodia, März 1992 - Mai 3993), der bisher teuersten und aufwändigsten Aktion der Vereinten Nationen, begann die Stadt langsam wieder aufzublühen. Hotels öffneten ihre Pforten für Ausländer, und in die einstmals isolierte, ja schon fast "verbotene" Stadt, strömten Massen an Zivilpolizisten, UNO-Soldaten und sonstigen Helfen. Scherzhaft nannte man das die "Invasion der Demokraten". Die Friedenstruppen begannen Straßen und Brücken zu reparieren, was Sympathie und Vertrauen schaffte. Restaurants wurden wiedereröffnet Discotheken erbaut, auf den Märkten herrschte reger Handel und das öffentliche Leben wurde kräftig angekurbelt - kurz, Phnom Penh boomte. Die Schattenseiten dieses Booms sind indes bis heute zu spüren. Angetrieben von den sexuellen Begierden vieler UNO-Mitarbeiter boomte auch die Prostitution und Kambodscha wurde auf die oberen Ränge der AIDS-Quotenstatistik katapultiert. Ebenso war diese Periode von einer beispiellosem (aber verständlichen) Run auf den Dollar gekennzeichnet, in dem jeder versuchte, an der Präsenz der UNO-Leute zu profitieren.


In der Nähe des Psah Chah
Heute hat sich die Situation in der Hauptstadt weitgehend normalisiert und Phnom Penh ist zu einer quirligen asiatischen Großstadt geworden, der allerdings ein gewisser Provinzcharakter nicht abzusprechen ist. Man hat die katastrophale Stromversorgung in den Griff bekommen, und auch in Sachen Wasserversorgung ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Ansonsten sind die Probleme der Stadt weitgehend die gleichen, wie in den anderen südostasiatischen Metropolen auch: hohe Verkehrsdichte, Straßenschmutz und soziale Probleme wie Armut und damit verbundene Kleinkriminalität. Sicher blühen hinter den Fassaden neuer Villen auch Großkriminalität und Korruption, und sehr auffällig ist auch die Menge an Luxuskarossen im Stadtverkehr. Wenn eine unterernährte Frau mit ihren Kindern um ein Almosen bittet und an dieser Szene ein nagelneuer Bentley vorbeirauscht, wird deutlich, dass in dem Land noch einen immenser Reformbedarf herrscht.

Für den Touristen ist Phnom Penh heute ein lohnenswertes und auch sicheres Ziel. Die Stadt ist gewiss nicht so reich an Sehenswürdigkeiten, wie etwa Bangkok oder Kuala Lumpur. Ihr Stadtbild wirkt jedoch erstaunlich aufgeräumt und intakt, was insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren Geschichte angenehm überrascht. Wie an vielen Orten in Kambodscha trifft man auch hier auf viele (i.d.R. unaufdringliche) Bettler, von denen verstümmelte Minen- und Kriegsopfer einen Großteil ausmachen. Viele dieser Menschen können aufgrund ihrer Verletzungen ihre früheren Berufe nicht mehr ausüben und sind wegen fehlender Sozialtransfers auf entsprechende Gaben angewiesen. Anders verhält es sich bei bettelnden Kindern, für die es eine Anzahl hilfreicher NGO-Programme gibt und die durch Erfolg beim Betteln Schulen und Hilfsprogrammen fernbleiben. Der Verkehr auf den Straßen der Stadt nimmt zwar stetig zu, hat aber noch lange nicht jene höheren Sphären des Chaos erreicht, wie etwa in Bangkok. Und für die Sicherheit in Phom Penh gilt das gleiche, wie in jeder anderen südostasiatischen (und europäischen) Großstadt auch.


Am alten Markt (Psah Chah)



Parkanlage in der Innenstadt


Erkundungen einer kleinen Hauptstadt


Zentrale Oase inmitten der Stadt: Hotel The Pavillion
Unser Hotel, das The Pavillion, liegt zentral in unmittelbarer Nähe von Königspalast und Silberpagode. Von unserem Zimmerfenster aus haben wir einen direkten Blick auf die Mauern des Wat Bodum, dem Nachbartempel des königlichen Hoftempels. Die Hotelanlagen sind traumhaft: Alle Gebäude gruppieren sich um einen tropischen Garten mit ausgedehntem Pool. Kleine Separees laden zum Verweilen ein und auch die Zimmer sind stilvoll eingerichtet. Zu bemängeln ist einzig, dass die französischen Betreiber ein wenig mürrisch wirken, das im Preis inbegriffene Frühstück für uns recht mikrig ist und ein Bier am Pool sehr nah an deutsches Preisniveau heranreicht. Aber egal, die zentrale Lage und idyllische Atmosphäre dieser grünen Oase inmitten der Hauptstadt machen das wieder wett.

An unserem ersten Tag in Phom Penh steht außer einer kleinen Stadterkundung ein Marsch zu Wat Phnom auf dem Programm. Es ist heiß und schon am Morgen steigen die Temperaturen weit über die 30-Grad Marke. Die Orientierung in der Stadt ist vergleichsweise einfach, da die französischen Kolonialherren ein schachbrettartiges Straßennetz angelegt haben. Es gibt ein paar parallele Hauptachsen, von denen kleinere Seitenstraßen abzweigen, wodurch man sich gut zurechtfindet. Dafür haben viele Straßen keine Namen, sondern Nummern. So tapern wir über den Boulevard 19 in Richtung Norden, vorbei am Königpalast und dem prächtigen Bau des Nationalmuseums. Der Verkehr auf den Straßen hält sich in Grenzen und liegt noch Klassen hinter jenem lärmigen Chaos, das wir aus Bangkok kennen. Die prächtigen Anlagen von Königspalast und Nationalmuseum lassen schnell vergessen, dass wir uns in einem sehr armen und von Kriegen gebeutelten Land befinden. Auch die übrige Bausubstanz wirkt keineswegs heruntergekommen und übermäßig kaputt. Nach einer dreiviertel Stunde kommt schließlich der Wat Phnom in unser Blickfeld. Wie der Name sagt (Hügeltempel), steht er auf einem Hügel, so dass sein prächtiger Chedi monumental in den Himmel ragt


Wat Phnom, Innenansicht
Wat Phnom markiert die historische Keimzelle der Stadt. Der Sage nach hat hier eine Frau namens Penh im Jahre 1372 vier Buddhastauen am Ufer des Mekong gefunden. Ihnen zu Ehren schüttete sie einen Hügel auf, um sie ehrenvoll zu platzieren. Eine Pagode wurde errichtet, zuerst aus Holz, dann im Jahre 1806 aus stabilem Beton. Der Hügel, auf dem Wat Phnom thront, ist im Laufe der Zeit wohl auch um ein Vielfaches höher geworden, als ihn Frau Penh ursprünglich aufgeschüttet hatte. Im Leben der Stadtbewohner nimmt Wat Phnom einen zentralen Stellenwert ein. Regelmäßig besucht man ihn, weil es Glück bringen soll, so eine alte Überlieferung. Außerdem stellt der Tempelhügel ein Oase der Ruhe inmitten des hektischen Stadtleben dar. Hier trifft man sich, flaniert und sammelt buddhistische Verdienste an, indem man Bettlern Almosen spendet und im Tempel meditiert.

Und in der Tat ist die gesamte parkähnliche Anlage ein Ruhepunkt in der Stadt. Unten tummeln sich viele Menschen im Schatten der hohen Bäume; man kann sich mit Wasser versorgen oder auf dem Rücken eines Elefanten reiten. Hier entrichten westliche Touristen auch den Dollar Wegezoll, bevor es über Treppen nach oben geht. In ihrem oberen Abschnitt bildet ein Dutzend Bettler ein Spalier, für das man idealer Weise ein paar Riel-Scheine parat haben sollte. Anschließend erreicht man einen kleinen Vorplatz, auf dem Händler Wasser und Räucherstäbchen verkaufen. Hier kann man auch Vögel gegen Geld aus Käfigen befreien um sein Karma zu verbessern. Wir verweigern uns dieser Form der Verdienstansammlung. Obwohl ein Händler unter Aufbietung seines gesammelten verkäuferischen Geschicks versucht, uns einen ganzen Käfig für nur fünf Dollar anzudrehen, widerstehen wir standhaft. Denn in unseren Augen begehen die Vogelhändler einen karma-arithmetischen Fehlschluss: Sie haben Leid über die armen Tierchen gebracht, indem sie sie gefangen und in den Käfig gepfercht haben. Ihr Karma wurde dadurch belastet. Eine Befreiung könnte uns vielleicht Verdienste einbringen, die allerdings nur auf Kosten des Verdienstkontos des Verkäufers möglich sind. Zudem würde dieser, motiviert durch unsere Nachfrage, in seinem zweifelhaften Geschäftsmodell bestätigt - und das ginge wieder zu Lasten unseres Geistheils. Also belassen wir die Vögel im Käfig und betreten die düstere Pagode. Weil hier meditative Stelle herrscht und auch keine Vogelhändler und Bettler arbeiten, verweilen wir besonders gerne vor dem Altar mit der großen Buddhastatur.


Wat Phnom



Markttreiben


Bittere Armut und protziger Luxus


Nationalmuseum
Auf dem Rückweg lassen wir uns ein wenig durch die Straßen treiben. Weil das Frühstück im Hotel kaum nennenswert ausfiel, setzen wir uns an der Uferpromenade (Sisowath Quay) in ein Restaurant und bestellen Toast mit Rührei. Es dauert kaum fünf Minuten, bis der erste Bettler um ein Almosen bittet. Bizarr wird die Situation, als eine Mutter mir drei unterernährten Kindern auftaucht, während wir nicht mehr ganz so genüsslich unser opulentes Lunch einnehmen. Gewöhnen kann man sich an diese omnipräsente Armut kaum, höchstens ihr einstweilen entkommen, indem man sich in Restaurants immer in den Innenraum setzt. Ein ungutes Gefühl bleibt trotzdem. Dennoch zeigen die zahlreichen Vans und Luxuskarossen, die besonders hier an der Uferpromenade auffallen, dass es neben Reichtum auch eine gewaltige Fehlverteilung im Lande gibt.

Anschließend streifen wir noch ein wenig durch die Gassen und geraten mitten ins Marktgetümmel auf dem Psah Chah, dem alten Markt. Ganz im Gegensatz etwa zu chinesischen Märkten in Bangkoks Chinatown fällt hier der allgegenwärtige Dreck auf. Zwar sind Kambodschaner auffällig saubere Menschen, bei denen jemand, der sein Hemd zwei Tage lang nicht wechselt, bereits als "Dreckbär" gilt. Vor ihrer Haustür scheinen sie jedoch weniger Wert auf Sauberkeit zu legen, und so gleicht der Gang durch den Markt einem Gang über einen Abfallteppich. Gewiss mag aber auch die schlechte Müllentsorgung eine Rolle spielen. Zurück im Hotel machen wir eine wohlverdiente Mittagspause mit ausgedehntem Bad im Pool.

Nachmittags promenieren wir am Sosowath Quai entlang. Hier tanzt der Bär in Phnom Penh, hier ist die Restaurantdichte am höchsten und hier liegt auch der ausgedehnte River Front Park, wo sich die Einheimischen gegen Abend treffen. Die Lage der Flaniermeile ist prädestiniert dafür. Auf der einen Seite bilden die Bauten des Königspalastes eine einmalig orientalische Kulisse. Auf der anderen Seite fällt der Blick auf den kurzen Zusammenfluss von Mekong und Tonle Sap, beides an dieser Stelle ausgewachsene Ströme von größtem Kaliber. Auf etwas über hundert Metern berühren sich beide Flüsse, was in der Regenzeit eine einmalige Form der Hochwasserregulierung darstellt. Führt der riesige Mekong zu viel Wasser, fließt es über diese Öffnung in den Tonle Sap, der darauf hin seine Fließrichtung ändert und die Fluten in den Tonle Sap See leitet. Dieser dehnt sich regelmäßig auf das fast siebenfache seiner Fläche aus, worauf sich die See-Anrainer in ihren schwimmenden Dörfern bereits seit Urzeiten eingestellt haben.


Abends an der Riverfront
In der untergehenden Sonne verweilen wir ein wenig am Flussufer, bevor wir im Ponlok, einem Khmer-Restaurant zu Abend speisen. Laut Reiseführer sollte der Blick vom Balkon des ersten Stocks auf Mekong und Tonle Sap besonders schön sein. Leider können wir diese Ankündigung weniger teilen. Dafür lässt sich von oben bestens auf die erstaunlich vielen Luxusvans herunterschauen, deren Besitzer wohl rege am Phnm Penher Nachtleben teilnehmen. Sogar ein Bentley kreuzt vorbei - unübersehbare Zeichen dafür, dass der sehr armen Bevölkerungsmehrheit im Lande eine nennenswerte Minorität an Vermögenden gegenübersteht. Auch Kambodscha scheint im globalen Kapitalismus angekommen zu sein. (Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die hohe Zahl an Luxusautos auch damit zusammenhängt, dass die Regierung bei erlauchten Personengruppen keine Einfuhrzölle darauf erhebt).


Kurzer Zusammenfluss von Mekong und Tonle Sap



Blick von Uferpromenade auf den Königspalast


Königspalast und Silberpagode


Königspalast (Chan Chaya Pavillion)
In seinen guten Zeiten war Kambodscha so etwas wie die Schweiz Südostasiens. Das Land war steinreich und auch seine Monarchie vermögend und mächtig. Die Terrorherrschaft der Roten Khmer und der anschließende Bürgerkrieg ließen das Land ausbluten und katapultierten es auf die unteren Ränge der Entwicklungsstatistiken. Der Königspalast und die angeschlossene Silberpagode zeugen noch von den guten Zeiten. An Prächtigkeit und Opulenz stehen sie ihren berühmten Pendants in Bangkok in nichts nach und der Besucherandrang liegt noch weit im Bereich des Erträglichen. Zudem versuchen vor den Toren des Palastes keine Tuk-Tuk- und sonstigen Schlepper Besucher mit Fehlinformationen zu belabern.

Seit der zweiten Krönung von König Norodom Sihanouk im Jahre 1993, der jahrzehntelang als Monarch regiert und sich in Krisenzeiten gerne als ausgesprochener Wendehals präsentiert hatte, gilt der Palast wieder als offizielle königliche Residenz, die seit 2004 von seinem Sohn und Nachfolger Norodom Sihamoni bewohnt wird. Norodom Sihanouk wurde 1941 Gottkönig von Kambodscha und dankte wenig später zu Gunsten seines Vaters ab. Anschließend war Prinz Norodom Sihanouk Staatschef des Landes und wurde 1970 nach einem Putsch des damaligen Premiers Lol Nol abgesetzt. Hintergrund dafür waren die strategischen Interessen der USA an Kambodscha während des Vietnamkrieges. Schon längst spielte sich dieser auch auf kambodschanischem Territorium ab, und der Prinz erschien den amerikanischen Invasoren als sehr unzuverlässiger Partner. Die von Lon Nol ausgerufene Khmer Republik war jedoch nicht lange von Bestand, da sich dieser als unfähig erwies, die Geschicke des Landes zu Lenken. Dieses Klima der Unsicherheit und Gewalt (gegenüber den als dafür schuldig gebranntmarkten Vietnamesen) bildete schließlich den Nährboden für Pol Pots Rote Khmer, die in einen Bürgerkrieg gegen die Regierung eintraten und am 17.4.1975 schließlich die Macht ergriffen. In dieser Zeit wird Norodom Sihanouk Marionetten-Präsident der von Pol Pot ausgerufenen "Demokratischen Republik Kapuchea" und lebte unter Hausarrest im Königspalast. Nachdem das Schlächterregime der Roten Khmer 1979 durch vietnamesische Truppen vertrieben wurde und das Land unter der Besatzung seines Nachbarn stand, wechselte der Prinz in die Widerstandsbewegung C.N.R.. Erst nach dem Abzug der Vietnamesen wird er im September 1993 zum zweiten Mal zum König gekrönt. 2004 dankt der hochbetagte Greis schließlich zugunsten seines Sohnes Norodom Sihamoni, einem politisch unbelasteten und auch vergleichsweise unbekannten Monarchen.




Französischer Pavillion
Der König wohnt noch immer in seinem Palast, und so ist die offizielle Residenz des Monarchen nicht in allen Teilen für Besucher zugänglich. Wir zahlen erschwingliche sechs Dollar pro Nase Eintritt und schlendern darauf hin über das überschaubare Gelände von Palast und Silberpagode. Es herrscht eine geruhsame Stimmung; der Trubel ist bei weitem nicht so groß, wie etwa im Königspalast von Bangkok. Die Gebäude auf dem Terrain stehen jenen in Thailand allerdings in nichts nach. Dominiert wird der Palastkomplex von Thronsaal und dem Chan Chaya Pavillion, der auch von außerhalb des Geländes gut zu erkennen ist. Letzterer dient nicht nur als Ort für klassische Tanzaufführungen, sondern auch für königliche Ansprachen an wichtigen Feiertagen. Prächtigstes Gebäude im Palast ist selbstredend der Thronsaal, in dem am 24.9.1993 König Sihanouk zum zweiten Mal gekrönt wurde. Eine Spende der Bundesrepublik Deutschland half ein knappes Jahr später dabei, das mittlerweile undicht gewordene Dach des Baus zu renovieren. Ebenfalls ins Auge sticht eine von den Franzosen geschenkte Villa, die in ihrem prüden Kolonialstil überhaupt nicht zu den übrigen Gebäuden asiatischer Prägung passen will.

Interessanter als der Königpalast fällt allerdings die Silberpagode aus. Zunächst als Familiengrab für die königliche Familie angelegt, avancierte sie schließlich zum privaten Haustempel Prinz Norodom Sihanouks. Es scheint besonders widersinnig, dass gerade dieses sakrale Bauwerk in der Hauptstadt eines der ärmsten Länder Asiens den wohl kostbarsten Altar der Erde beherbergt. Der gesamte Fußboden der Pagode besteht aus 5281 massiven Silberplatten. Ihr Zentrum bildet eine lebensgroße und mit Tausenden Diamanten besetzte Buddhafigur aus purem Gold. Zu den weiteren Kostbarkeiten zählen ein Smaragdbuddha sowie die goldbesetzte königliche Prunksänfte. Weiterhin beherbergt der Tempel jede Menge kostbare Geschenke, die der Monarch im Laufe seiner Regentschaft von anderen Staatsoberhäuptern empfangen hat. Kaum zu glauben, dass in unmittelbarer Nähe dieses verschwenderischen Reichtums viele Menschen nicht wissen, wie sie überleben sollen.


Stupa mit der Asche König Norodoms
Interessiert schlendern wir in der brennenden Nachmittagssonne durch die Außenanlagen der Silberpagode. Hier stehen imposante Stupas, die die Asche gestorbener Könige enthalten. Umgeben wird die Anlage von einer mit ausgedehnten Fresken bemalten Mauer, auf der das hinduistische Epos des Ramayana abgebildet ist. Zurzeit wird es von polnischen Experten restauriert. Auch buddhistische Mönche wandern durch das Terrain. Einer von ihnen spricht uns an und führt ein wenig Smalltalk mit uns. Er ist Student der nahen buddhistischen Universität und ist angehalten, mit Touristen zu sprechen, um seine Englischkenntnisse zu erproben. Das Gespräch wechselt von Belanglosigkeiten unversehens zur Vergangenheit Kambodschas.

Auf die Frage, ob wir uns auch die Mahnmale Choeung Ek (Killing Fields) sowie das Foltergefängnis Tuol Sleng angesehen hätten, verneinen wir. In der Tat zählen beide Grauensstätten zu den wichtigen "Sehenswürdigkeiten" Phnom Penhs. Wir haben uns bewusst gegen einen Besucg entschieden, weil wir wissen, wie schrecklich die Konfrontation mit dem Unfassbaren für und sein wird. Das Entsetzen über die Abscheulichkeit, zu der Menschen fähig sind, und das immensen Leid, das daraus erwächst, würde uns in allertiefste Missstimmung versetzen. Das soll keinesfalls bedeuten, dass wir uns nicht intensiv mit der Vergangenheit des Landes beschäftigt hätten - nur muss das in unserem Falle nicht mit der Besichtigung von Knochen- und Schädelbergen einhergehen. Besonders als Angehörige eines Volkes, das vor wenigen Jahrzehnten an vergleichbaren Gräueltaten beteiligt war, auf dessen Konto Holocaust und zweiter Weltkrieg stehen, fühlen wir uns in dieser Beziehung besonders betroffen. Im Vorderund steht für uns, ein Leben aktiv in dem Bewusstsein zu führen, dass sich derartiges nicht einmal im Keim wiederholen darf. Ob der Mönch unsere Argumentation verstanden hat, steht schon wegen seiner lauen Englischkenntnisse in den Sternen. Nach der Besichtung spazieren wir noch ein wenig durch die umliegenden Straßen, bevor wir im Hotel in unsere Betten fallen.

In den Süden nach Kep


Randsiedlung Phnom Penh
Weil unser Bus nach Kep erst um 13 abfährt, verbringen wir den Vormittag fast ausschließlich bräsig im Pool. Mit dem Tuk-Tuk geht es dann zum Hof der Busgesellschaft, nahe des Olympischen Stadions. Olympische Spiele haben zwar nie in Kambodscha stattgefunden, dafür aber 1966 die games of the new emerging forces (GANEFO) auf Initiative Chinas. Irgendwie hat sich aber der Name der weltgrößten Kommerzsportveranstaltung durchgesetzt.

Kurze Zeit später sitzen wir in einem recht kleinen Bus und tuckern über die Ausfallstraßen Phnom Penhs gen Süden. Nach dem Verlassen der Stadt verlässt uns auch der Asphaltbelag, und die Straßen bleiben bis Kep in eher bescheidenem Zustand. Nach drei Stunden Fahrt ändert sich allerdings das immergleiche Landschaftsbild - endlich, möchte man fast sagen. Mit den Ausläufern des Elefanten- und des Kardamomgebirges findet die zentralkambodschanische Ebene ein ersehntes Ende. Hügel, ja sogar zusammenhängende Bergketten fallen ins Auge, und dichter Urwald löst das monotone Agrarland ab. Im Bus erkundigt man sich nach unserem Ziel und lässt uns auf einer staubigen Straßenkreuzung hinter Kep aussteigen. Guter Service, denn unser Ressort ist nur noch 200 Meter entfernt!









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    Phnom Penh


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